Mit solch einem Andrang hatte niemand gerechnet. In ein kleines Klassenzimmer der ehemaligen Eisenbahnerschule in der Nordstraße drängten sich am Montagabend, 26. Oktober 2015, knapp 100 Personen. Sie waren gekommen, um sich über die geplante Unterbringung von Asylbewerbern in dem Objekt zu informieren. Kurzerhand entschied Oberbürgermeister Robby Risch, die Veranstaltung auf den Schulflur zu verlegen. Dort berichtete Rudi Gollmann, Leiter des Ordnungsamtes des Burgenlandkreises, dass am kommenden Donnerstag etwa 80 Asylbewerber die Zimmer beziehen werden. Vor Ort arbeiten dann auch zwei Sozialbetreuer und ein Sicherheitsdienst.
Die fünf großen Klassenräume werden mit Doppelstockbetten ausgestattet, sodass in jedem Zimmer bis zu 16 Personen Platz finden. Auf dem Flur befinden sich Toiletten und Duschen. Im Keller besteht die Möglichkeit, Gemeinschaftsräume einzurichten. Auch eine große Gemeinschaftsküche gibt es auf jeder Etage. Oberbürgermeister Risch versprach zudem, dass die Beleuchtung des Außengeländes nach der langen Zeit des Leerstandes bis Donnerstag wieder in Gang gesetzt wird.
Die Bürgerinnen und Bürger nutzten die Gelegenheit, sich die Ausstattung der Räume direkt vor Ort anzuschauen. Die überwiegende Mehrheit der Anwesenden äußerte sich kritisch zur Aufnahme von Asylbewerbern in der Weißenfelser Neustadt. Ängste und Sorgen kamen zur Sprache; vor allem im Hinblick auf die direkte Nachbarschaft zur Herder-Grundschule und zu verschiedenen Gartenanlagen.
Jörg Bethmann vom Polizeirevier Weißenfels versuchte die Anwohner zu beruhigen. Er erklärte, dass in diesem Jahr im kompletten Burgenlandkreis erst zehn Anzeigen gegen Asylbewerber bei der Polizei vorliegen – allesamt Ladendiebstähle. Insgesamt läge die Quote nicht-deutscher Tatverdächtiger im Burgenlandkreis bei acht Prozent. Ein Problem seien laut Bethmann Geschichten von Sexualdelikten und Raubüberfällen durch Asylbewerber, die über die sozialen Medien verbreitet werden. Beim Polizeirevier sei diesbezüglich nie eine Anzeige eingegangen. Der Polizeibeamte geht deshalb davon aus, dass es sich um Gerüchte handelt. Er bat die Anwesenden aber auch, jede Straftat sofort anzuzeigen.
Auch Amtsleiter Gollmann ermunterte die Teilnehmer, die neue Situation erst einmal ohne Vorbehalte auf sich zukommen zu lassen. So grenze beispielsweise an die Asylbewerberunterkunft in Eckartsberga ebenfalls eine Gartenanlage. Auch hier hätten die Menschen im Vorfeld Bedenken geäußert. Doch man sei aufeinander zugegangen und mittlerweile wurde für die Geflüchteten sogar eine eigene Gartenparzelle angemietet.
Den Vorwurf, dass die Stadtverwaltung nur in der Neustadt nach Asylbewerberunterkünften sucht, wies Risch klar zurück. Die Meinung der Stadt sei bei diesem Thema nicht gefragt. Der Burgenlandkreis sei zuständig für die Unterbringung der Geflüchteten und der Eigentümer der Eisenbahnerschule habe diesem ein Angebot gemacht. Dass der Landkreis Objekte bevorzugt, die sich als Gemeinschaftsunterkunft eignen, sei aufgrund der notwendigen Betreuung der Asylbewerber logisch. Laut Risch wird sich die Suche nach Unterkünften aber nicht auf die Neustadt beschränken. Auch in anderen Stadtteilen werden Wohnungen hergerichtet. Entscheidend für ihn sei, dass Weißenfels trotz der großen Anzahl an Flüchtlingen noch keine Schulsporthallen in Beschlag nehmen musste. Die Asylbewerber seien in der Saalestadt menschenwürdig untergebracht.
Zahlen, Daten, Fakten
Laut Rudi Gollmann werden dem Landkreis bis zum Ende des Jahres 2015 insgesamt 3.600 Flüchtlinge zugeteilt. Bis zum 26. Oktober 2015 hatten die Verantwortlichen 1.563 Geflüchtete aufgenommen. Davon wurden in Weißenfels 514 Geflüchtete untergebracht, in Naumburg 572 und in Zeitz 637. Auch in den Gemeinden Hohenmölsen, Eckartsberga, Nebra und Karsdorf wurden Flüchtlinge aufgenommen. Oberstes Ziel der Mitarbeiter ist eine menschenwürdige Unterbringung. Zeltstädte sollen vermieden werden.